Begegnung mit der Mafia

Statt eines Vorworts

 

Dreimal in meinem Leben hat mich die Mafia zum Tanz aufgefordert. Beim ersten Mal – Ende der 90er Jahre – bekam ich einen Cold Call aus Montreal und anschließend ein First Class Ticket zum Meeting. Es war die Zeit der Dotcom-Bubble und der ersten Suchmaschinen. Ein paar Kanadier hatten sich eine Website bauen lassen, die sie „Die Mutter aller Suchmaschinen“ nannten:  mamma.com. Der Chef war ein jovialer Senior, lässig gekleidetPolo, Sakko und Tod‘s - großzügig als Gastgeber und unterhaltsam als Anekdotenerzähler. Was er nicht erwähnte: dass er mit einem Boiler Room voller Telefonverkäufer Anlegern eine halbe Milliarde Dollar aus der Tasche gezogen hatte; dass die Gewinne über die Hausbank der Drogenkartelle gewaschen worden waren - die pakistanische BCCI; dass er den kanadischen Mafia-Boss Vic Controni über den Tisch gezogen und einen Bombenanschlag nur knapp überlebt hatte. All das blieb im Hintergrund, als mich der freundliche Pate bei einem Glas Romanée Conti um mediale Unterstützung bat für mamma.com – die Mutter aller Suchmaschinen

Beim zweiten Mal wurde ich Aufsichtsrat eines Startups, das klimafreundliches Crypto-Mining betreiben sollte. Das Konzept verband Rendite mit Idealismus, war allerdings auch ein perfektes Setup für Geldwäsche. Die Verantwortlichen saßen vermutlich in Rußland und Hong Kong und traten nie in Erscheinung.

Beim dritten Mal bot mir ein deutscher Milliardär an, an einem Investmentfonds mitzuarbeiten. Der sollte Konzerne umstrukturieren und auf Profit trimmen. Als „Aktivistischer Investor“ - wie man in Fachkreisen sagt. Auf den ersten Blick ein seriöses Projekt, aber um es umzusetzen, hätte man die Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite in die Zange nehmen müssen. Vielleicht saßen deshalb bei den Besprechungen im Family Office einige Herren mit am Tisch, die schon mal Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt gemacht hatten. Hilfreich war sicher auch, dass ein Zweig der Industriellenfamilie zu DDR-Zeiten mit den Tarnfirmen der Stasi zusammengearbeitet hatte. 

Alle drei Fälle spielen in jener Grauzone, in der Unterwelt auf Wirtschaft trifft. Ich habe in allen drei Fällen ein paar Takte mitgespielt, mich aber dann verabschiedet. Zweimal geschah das einvernehmlich, beim Crypto-Startup aber kam es zum Konflikt. Das Unternehmen hatte knapp 100 Millionen von Anlegern in aller Welt eingesammelt. Als ich Unregelmäßigkeiten feststellte, ging ich als Whistleblower zum Staatsanwalt, und das Unternehmen wurde mit einigem Medienrummel liquidiert

Erst im Laufe der Zeit verstand ich, dass der Krypto-Skandal etwas mit organisiertem Verbrechen zu tun haben könnte. Im Vorfeld hatte sich jemand erhebliche Mühe gegeben, Situationen in meinem Privatleben zu inszenieren, die man eines Tages als Druckmittel gegen mich verwenden wollte. Ich verstand, dass man mich präpariert hatte, damit ich später den Kopf hinhalte und als williger Strohmann ein Unternehmen führe, dessen eigentlicher Geschäftszweck nicht sauber sein konnte. 

Als dieser Plan scheiterte, waren einige Leute ziemlich ungehalten. "Raub" - riefen sie mir zu - natürlich nicht persönlich, sondern anonym über Social Media. Dann folgten Artikel über den berüchtigten Folter-Container der niederländischen Drogenmafia, der im Zuge der EncroChat-Verfahren⁠ aufgeflogen war. Fotos zeigten einen Zahnarztstuhl mit allerlei Werkzeugen. Es folgte eine Welle von Zahnarztwerbung, dann Autos mit der Buchstabenkombination „DI“ - „Stirb“ - und schließlich Ratschläge, wie ich die Unannehmlichkeiten einer Wurzelbehandlung vermeiden könnte: Bahngleise und Badewannen spielten dabei eine prominente Rolle. Kein Zweifel: ich hatte gegen die beiden wichtigsten Regeln des Mafia-Codex verstoßen: die Pflicht zu schweigen und loyal zu sein. Mit der kleinen Einschränkung, dass ich ja gar nicht zur Familie gehörte, sondern als Strohmann instrumentalisiert werden sollte. 

 

Obwohl die Drohungen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließen, passierte jahrelang – nichts.  Ich verstand mit der Zeit, dass meine Gegenspieler auf eine lautlose Lösung setzten, eine Lösung, die auf keinen Fall Ermittlungen nach sich ziehen würde. Und was ist unauffälliger als ein Suizid? Oder sie würden die Justiz gegen mich in Stellung bringen - besser ein sauberer Rufmord als ein blutiges Verbrechen, gegebenenfalls mit gekauften Zeugen und manipulierten Beweisen. Alles diskret aus dem Hintergrund, damit die Zukunft der Organisation nicht Rache aufs Spiel gesetzt wird.

An einem Nachmittag im Sommer 2021 saß ich mit Freunden im Biergarten einer Brauerei im badischen Ulm, zwischen Offenburg und Baden-Baden. Am Nachbartisch ließen sich zwei Männer nieder. Einmal wurde ihr Gespräch laut und es fiel ein Wort, das in diesem idyllischen Biergarten fernab der Politik wohl noch nie gefallen war:  „Kompromat“. Dann standen sie plötzlich auf und gingen. 

Das war der Moment, in dem mir der Groschen fiel: wer immer die Hintermänner des Krypto-Skandals waren, sie benutzten die Methoden der Stasi, des Geheimdienstes der untergegangenen DDR. „Kompromat“ war Teil einer umfassenden Strategie der psychologischen Kriegsführung, die das Ministerium für Staatssicherheit über Jahrzehnte entwickelt hatte. Die Stasi-Methoden waren Forschungs- und Lehrstoff an der Juristischen Hochschule in Potsdam – unter dem beschönigenden Begriff „Operative Psychologie“ – und wurden ganzen Generationen von Agenten in Sonderlehrgängen beigebracht. Im Inland setzte die Stasi die Psychotechnik ein, um Dissidenten zu zermürben, im Westen, um Geheimnisträger zu erpressen. Die Stasi nannte die Methode „Zersetzung“, und sie war so gut darin, dass sie sogar ihre Kollegen vom KGB coachen durfte. In welchem Ausmaß Zersetzung die geheimdienstliche Praxis prägte, kam in den 90erJahren durch Zeugenberichte, die Stasi-Unterlagenbehörde und Untersuchungsausschüsse des Bundestages ans Licht. 

 

Konnte es sein, dass die alten DDR-Methoden 30 Jahre nach dem Untergang des Regimes noch virulent waren? Und wenn ja: was  haben sie mit Cyber Crime zu tun? Was mit organisierter Kriminalität und moderner Geldwäsche? 

Und auf der persönlichen Ebene: wieso hatten mich so unterschiedliche Milieus ins Fadenkreuz genommen: von der kanadischen Unterwelt über die Berliner Blockchain-Szene bis zur deutschen Geld-Elite? Gibt es da verborgene Verbindungen? Ein System der kommunizierenden Röhren? Die Antworten auf diese Fragen liegen in den Wirren der Revolution von ´89. 

 

Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass die Geheimdienste in Ostberlin und Moskau schon Mitte der 80er Jahre den Untergang ihres Systems vorausahnten - und sich darauf vorbereiteten, auch dann noch weiterzuarbeiten, wenn das politische System, das sie hervorgebracht hatte, längst nicht mehr existiert. Agenten wurden zu Preppern. Sie errichteten länderübergreifende Netzwerke von Tarnfirmen und verschoben Milliarden von D-Mark und Dollar auf geheime Konten in Liechtenstein, der Schweiz und den Cayman Islands. Das ist gut dokumentiert⁠ (1) - durch ZERV, die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungskriminalität, durch Aussagen vor Untersuchungsausschüssen und durch die Recherchen investigativer Journalisten. Ebenfalls gut dokumentiert ist, dass sowohl Stasi als auch KGB seit Anfang der 50er Jahre mit Gangstern kooperierten, um das Technologie-Embargo des Westens zu umgehen. Die Mafia nutzte den Ostblock als Transit für Drogen, Zigaretten und Waffen und lieferte im Gegenzug Hochtechnologie und Cash.

 

Könnte es also sein, dass die Agenten des Ostens nach dem Verlust ihrer sozialistischen Heimat einen neuen Hafen im Organisierten Verbrechen gefunden haben? Dass sie ihr geheimdienstliches KnowHow und das geraubte Volkseigentum als Mitgift in eine Ehe mit der Unterwelt gebracht haben? Wäre das nicht logisch? 

 

Ich glaube: ja, es gibt diese Fusion von Crime and Intelligence. Das ist meine „Ermittlungshypothese“. So nennen das Staatsanwälte, wenn sie ihre ersten Ideen zur Aufklärung einer Tat entwickeln. Ein gerichtsfester Beweis für diese Hypothese wird sich nicht finden lassen - so viel vorweg als kleiner Spoiler. Wir führen einen Indizienprozess. Oder um ein Beispiel aus der Astrophysik zu nehmen: wir können Exo-Planeten nicht sehen, weil sie kein Licht ausstrahlen. Aber wir können die winzige Verdunklung messen, die Exo-Planeten verursachen, wenn sie an ihrem Stern vorbeiziehen. Das ist das Indiz für ihre Existenz, und genauso indirekt argumentiere ich in DARK MATTERS. 

 

Sollte meine Arbeitshypothese richtig sein, sind die Konsequenzen für die wirtschaftliche und politische Stabilität westlicher Länder gravierend. Wir sprechen hier von der Möglichkeit, dass Verbrechen, wenn sie koordiniert und großflächig begangen werden, eine geopolitische Qualität bekommen. Die meisten von uns würden diesen Gedanken von sich weisen - aus Selbstschutz oder weil er so ungeheuerlich erscheint. Aber der Schwarze Schwan ist ein real existierendes Wesen. 

 

Für die Beweisführung werde ich mir einen Kunstgriff erlauben: in der ersten Staffel versetzen wir uns in die Lage der Gegenseite und betrachten die Welt aus der Perspektive eines Täters. Eines Mannes, der über den Werkzeugkasten der untergetauchten Stasi-Agenten verfügt: Startkapital, geheimdienstliche Fertigkeiten und die nötige Skrupellosigkeit. Wir nehmen an, er hat ein gewisses Alter und deshalb möchte er sein Wissen weitergeben - Grundkurs Organisierte Kriminalität. „How to rob 100 Million - and get away with it.“ Jedes Detail dieses Grundkurses ist realistisch; alles ist genauso machbar wie beschrieben. Am Ende werden wir uns fragen: wenn es machbar ist, wenn es risikolos ist und wenn es extrem profitabel ist, ist es dann nicht auch wahrscheinlich?  

 

In der zweiten Staffel von DARK MATTERS gehen wir zurück in die 80er Jahre und werfen einen Blick auf Methoden und Geschichte der Stasi und des KGB. Ihre Vorbereitungen auf den Tag X und ihre schon damals bestehenden Verbindungen zum Organisierten Verbrechen. In dieser zweiten Staffel zeige ich, dass der Grundkurs "How to rob 100 million"  keine Thriller-Fantasie ist, sondern seine Wurzeln in einer belegbaren Realität hat.

So geschult gehen wir dann in die dritte Staffel: die großen Betrugs-Skandale der vergangenen 30 Jahre - Wirecard, CumEx, Signa, Diesel, One-Coin und viele andere. Alle lagen im Milliardenbereich, alle haben die Gesellschaft wegen ihrer Skrupellosigkeit empört und bei allen - das ist meine These - blieben die wahren Drahtzieher im Dunkeln. Vor Gericht standen immer nur die Bauernopfer. Ein typisches Kennzeichen des unsichtbaren Verbrechens.

 

Bevor wir in den Grundkurs einsteigen, sollten wir einmal kurz den offiziellen Erkenntnisstand zum Thema Kriminalität rekapitulieren. 

Zunächst die öffentliche Wahrnehmung: in den Medien dominieren Berichte über Gewaltkriminalität und Migration, Sexualdelikte, Einbruchdiebstähle und Betrug. Die Bürger haben vor allem Angst vor Online-Betrug, Wohnungseinbrüchen, Diebstahl und Gewaltverbrechen - das sagt eine Studie der Konrad Adenauer Stiftung. Titel: „Wenn es Nacht wird in Deutschland⁠“.

Damit sind die Ängste der Bürger gar nicht so weit von der Statistik entfernt: von den rund 5,9 Millionen Straftaten⁠, die in Deutschland 2023 begangen wurden, sind fast 2 Millionen einfacher oder schwerer Diebstahl, 750.000 Fälle Betrug und 200.000 Fälle Körperverletzung. 

Organisiertes Verbrechen weist die Statistik nicht separat aus. Aber es gibt dazu eine signifikante Zahl: 2023 wurden 640 Ermittlungsverfahren⁠ gegen die OK geführt - bei knapp sechs Millionen Straftaten - also 0,001 Prozent aller Verfahren. Im Justizapparat scheint OK zumindest statistisch nur eine geringe Rolle zu spielen.

Das steht in krassem Gegensatz zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung: dem Wert aller Waren, Dienstleistungen und Finanzströme, die mit ungesetzlichen Mitteln generiert werden. 2011 veröffentlichte das UNO-Büro gegen Drugs & Crime, UNODC⁠, zum ersten Mal Zahlen zur „Wertschöpfung der Unterwelt“ und kam auf 2,1 Billionen Dollar. Bemerkenswert: nur 1% der illegalen Gewinne werden von den Behörden beschlagnahmt. 

Ein weiteres internationales Experten-Gremium - die „Global Initiative against Transnational Organized Crime“ - schätzte das Volumen der Schattenwirtschaft für 2016 sogar auf 3,6 bis 4,8 Billionen Dollar⁠.⁠ Und zwar allein in dem Bereich, in dem die Mafia der regulären Wirtschaft Konkurrenz macht: Bau, Immobilien, Transport und Logistik, Technologie und Finanzdienstleistungen, Konsumprodukte und Rohstoffe. Der sogenannte „Corporate Sector“. Drogen- und Waffenhandel waren bei diesen Zahlen noch gar nicht dabei. 

Neuere Zahlen von 2024 bestätigen die Größenordnung: laut einer Studie der Technologiebörse NASDAQ fließen von den illegal erwirtschafteten Profiten 3,1 Billionen Dollar jährlich durch die Geldwaschanlagen des internationalen Finanzsystems. 

Setzen wir das ins Verhältnis Weltwirtschaft: deren Wertschöpfung betrug 2016 rund 76 Billion Dollar. Crime & Co erwirtschaften 5 bis 7% dieser Summe. Als Staat wäre die Organisierte Kriminalität 2016 die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gewesen, gleich hinter den USA, China und Japan. Vor Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Als Branche könnte die Organisierte Kriminalität mit der Öl- und Gasindustrie konkurrieren - einem der größten und mächtigsten Sektoren unseres Planeten. Öl und Gas beschäftigt Millionen von Menschen, beeinflußt Regierungen und Parlamente und durchdringt unseren Alltag bis in die kleinsten Verästelungen. Was die Ölriesen produzieren und politisch oder ökonomisch durchsetzen, das prägt die Erfahrung eines jeden einzelnen. Fast jeder Preis, den wir bezahlen - an der Tankstelle, beim Heizöl, am Gemüsestand - enthält die Kosten für fossile Energie. Und das ist uns im Grunde auch bewußt. Öl und Gas sind überall.

Völlig anders verhält es sich mit der Organisierten Kriminalität. Trotz ihrer wirtschaftlichen Dimension erscheint sie uns als Phantom. Sie taucht mal kurz auf in Meldungen über Razzien, Drogenfunde im Hamburger Hafen oder eine rätselhafte Schießerei im Clan-Milieu. Meistens verorten wir sie weit weg: in den Koka-Plantagen Südamerikas, den Kleinstädten des Mezzogiorno, den Casinos von Las Vegas und vielleicht auch noch den Rotlichtvierteln von Hamburg und Rotterdam. Das organisierte Verbrechen als Paralleluniversum, Lichtjahre entfernt von der Idylle bürgerlicher Reihenhaus-Siedlungen. 

Eine trügerische Vorstellung. 
 

2024 veröffentlichte EUROPOL eine Studie⁠ über mafiöse Strukturen in Europa: „Decoding EU’s most threatening Criminal Networks“. Kernsatz: „Organisiertes Verbrechen ist omnipräsent und stellt eine große Bedrohung für die innere Sicherheit der EU dar.“  Omnipräsent das heißt: es durchdringt unseren Alltag und unsere Institutionen.  

Laut EUROPOL sind in der EU über 800 kriminelle Vereinigungen aktiv, mit 25.000 Mitgliedern. 36% davon im Drogenhandel, aber auch Betrug, Produktpiraterie und Menschenhandel sind beliebt; oft kombinieren die Gangs mehrere Geschäftsfelder und passen sich schnell an neue Märkte, Krisen und Technologien an - wie zum Beispiel den Bitcoin-Handel. Diese Agilität macht sie so widerstandsfähig.  

Beeindruckend ist auch ihre Lebensdauer: im Schnitt entziehen sich diese Netzwerke zehn Jahre lang dem Zugriff der Ermittlungsbehörden, viele sogar über Generationen hinweg.   

Besonders gravierend aber ist: die Gangs sind längst tief in die reguläre Wirtschaft eingedrungen: 86% der kriminellen Organisationen Europas nutzen legale Unternehmensstrukturen, also Kapitalgesellschaften, die ins Handelsregister eingetragen sind und einen anerkannten Geschäftszweck verfolgen. Sie haben sich an Speditionen, Bauunternehmen, Finanzdienstleistern und Sicherheitsdiensten beteiligt - mit dem Ziel, sich dauerhaft in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren und diese von innen heraus zu beherrschen. Zu dieser Strategie der Infiltration gehört auch die Unterwanderung von Behörden, Politik und Justiz mit Hilfe von Korruption und Erpressung. Sagt EUROPOL.

Dies alles ist schon längst weit fortgeschritten. Wir können heute nicht mehr wissen, ob der Projektentwickler, der uns eine Wohnung verkauft, zum kriminellen Untergrund gehört. Der Autohändler. Der Banker. Und natürlich der Pizzabäcker. Sie alle können saubere Burschen sein. Aber etliche sind es eben nicht. Das wir uns das nicht bewußt machen - oder nicht wahrhaben wollen - schafft der Mafia den Raum, in dem sie operieren kann. Sie lebt von der Diskrepanz zwischen ihrer wirtschaftlichen Macht und der geringen Aufmerksamkeit, die Politik, Behörden und Zivilgesellschaft ihr widmen.  

Fassen wir zusammen: a) das organisierte Verbrechen ist eine globale Wirtschaftsmacht; b) es wird unterschätzt und konnte deshalb weite Teile der Gesellschaft unterwandern. c) Das Kerngeschäft der OK ist dennoch illegal und läßt sich daher mit den Mitteln des Strafrechts bekämpfen. Vorausgesetzt die Mittel und der politische Wille sind vorhanden. Das ist der Befund, auf den sich die meisten Fachleute heute, Stand 2025, einigen können. 

Meine Arbeitshypothese geht jedoch weiter. Sie besagt: seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich eine neue Qualität des Organisierten Verbrechens etabliert, die weitgehend unsichtbar geblieben ist. „Stealth Crime“  ist unsichtbar, weil es die klassischen Methoden der Geheimdienste für kriminelle Zwecke einsetzt. Weil es konspirativ vorgeht und geschult darin ist, keine Spuren zu hinterlassen. Der Dreh- und Angelpunkt der Unsichtbaren Kriminalität aber, ihre Kernkompetenz, ihr innerstes Wesen, ist Manipulation. Die Fähigkeit, Menschen ohne Gewalteinsatz so zu steuern, dass sie zu Erfüllungsgehilfen einer Schattenmacht werden.

Wie das funktioniert, werde ich in diesem Podcast minutiös demonstrieren. 

Hat man das Konzept einmal verstanden, erscheinen auch die Goliaths dieser Welt nicht mehr unüberwindbar: Großbanken, Börsenaufsicht, Wirtschaftsprüfer, Finanzämter oder Ministerien. Jeder so stark wie das schwächste Glied der Führungsriege. Und wer mehrere der großen Entscheidungszentren manipulieren kann, der kann ein sehr großes Spiel spielen.

 Davon handelt „Dark Matters“.

 

 

1)  Andreas Förster, Auf der Spur der Stasi-Millionen, Berlin 1998;  Norbert F. Pötzl, Das Schattenreich des Alexander Schalk-Golokowski, Berlin 2025; Catherine Belton, Putin’s People, London 2020

 


 

 

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